Von Santiago de Compostela nach Negreira
Wetter: Nichts als Sonne, am Nachmittag sehr warm
Meine gestrige, gut 2-stündige Etappe nach Santiago de Compostela ermöglichte mir den Besuch der Pilgermesse noch am gleichen Tag. Sie ist für viele Pilger der Höhepunkt am Ende ihrer langen Wanderung.
Die Pilgermesse ist ein liturgisches Ritual, das jeden Tag um 12.00 Uhr am Hochaltar der Kathedrale abgehalten wird. Um die Gläubigen willkommen zu heissen, wird zu Beginn der Messe eine Aufstellung der in Santiago eingetroffenen Pilger verlesen, die sich im Pilgerbüro in den letzten 24 Stunden eingetragen haben. Bei dieser Lesung werden auch der Ausgangsort der Pilgerreise und die Staatsangehörigkeit genannt.
Traditionsgemäß verbrachten die Pilger die Gebetszeit der Pilgermesse, indem sie Gott für die erlebten Erfahrungen während ihrer Wanderung und für das Erreichen des Zieles dankten.
Für viele Pilger unbestrittener Höhepunkt der Messe ist das Schwenken des Botafumeiro, der vielleicht größte Weihrauchkessel der Welt.
Entstanden ist die Tradition im Mittelalter. Damals soll der strenge Geruch der Pilger das Weihrauchschwenken notwendig gemacht haben, da sonst der feierliche Rahmen der Pilgermesse am Gestank der Wallfahrer erstickt wäre.
Der 53 kg schwere und 1,50 m hohe Weihrauchkessel wird von der zentralen Kuppel der Kathedrale aus bewegt. Dort ist er an einem komplexen Rollensystem für den Schwung in die Seitenschiffe aufgehängt. Um ihn tragen zu können, sind acht Männer, die so genannten ‚Tiraboleiros‘, erforderlich. Das Gefäß hängt in 20 m Höhe und im Flug erreicht es eine Geschwindigkeit von bis zu 70 km/h. Der Botafumeiro beschreibt dabei einen Bogen von 65 m Länge.
Weil die benötigte Kohle, der viele Weihrauch und der Verschleiß der schweren Seile hohe Kosten verursachen, wird der Botafumeiro nur an wichtigen Feiertagen und zu bestimmten Anlässen geschwenkt, manchmal aber auch während der Pilgermesse. Wer das Fass unbedingt fliegen sehen will, kann den Botafumeiro jedoch gegen eine entsprechende Gebühr buchen.

Meine heutige Tagesetappe verlief unspektakulär. Nur 22 km lang mit einem langen, steilen Aufstieg, endete sie in einer gemütlichen Herberge in Negreira. Für eine Weile meine Füsse hochzulegen, habe ich sehr genossen. Meine französischen Küstenweg-Freunde übernachten auch hier. Ich freue mich auf weitere interessante Gespräche mit ihnen.