08. Oktober 2018 – Tag 40

Von Finisterra nach Santiago de Compostela – mit dem Schnellbus in gut 2 Stunden  

Wetter: Sonne und Wolken, kühler Wind

Der gestrige Sonnenuntergang am Kap Finisterra

Als ich heute Morgen aufwachte und aus dem Panoramafenster meines Pensionszimmers schaut, wurde es draussen gerade hell. Der Himmel über dem Meer war blassrosa und wolkenlos und versprach gutes Wetter für den Tag. 

Ich habe meine Sachen gepackt und im Café neben der Bushaltestelle gefrühstückt. Dort sassen schon meine französischen Küstenweg-Freunde, heftigst diskutierend, ob sie den schnelleren, direkten Bus nehmen sollen oder den langsameren, der die schönere Route fährt. Beide Busse starteten laut Fahrplan zur gleichen Zeit. 

Ich liess für mich das Schicksal entscheiden und stieg in den Bus, der zuerst kam. Es war der schnellere. Ich sass neben einer netten Pilgerschwesten aus Dublin. Wir wechselten ein paar Worte und dann hing jeder seinen eigenen Gedanken nach. Die Rückfahrt nach Santiago de Compostela ist wohl für die meisten von uns der erste Teil der Heimreise. Ich freue mich auf zu Hause, aber mir fällt es auch schwer, das einfache, recht sorgenfreie und entspannte Leben auf dem Camino zu verlassen. 

Im Bus erfuhr ich, dass in der heutigen Pilgermesse der Botafumeiro, das grosse Weihrauchgefäss, wieder geschwenkt wird. Und so beschloss ich, mittags erneut in die Messe zu gehen. Erst einmal habe ich aber im Kloster neben der Kathedrale meine ‚Mönchszelle‘ für Pilger bezogen. Im Stillen hatte ich mir eine im vierten, dem obersten Stock, gewünscht und – ohne danach zu fragen – auch bekommen. Danke! 

Auf dem Weg zur Pilgermesse fielen mir die vielen Menschen auf, die in der Stadt unterwegs waren (oder kam mir das nur so vor nach der Einsamkeit auf dem Jakobsweg?). Auch schien sich eine lange Menschenschlange um die Kathedrale zu winden. Ich erfuhr zu meiner grossen Überraschung, dass das die Schlange zum Eingang der Kathedrale sei. Und so habe ich mich hinten angestellt, um dann im Schneckentempo die ca. 150 m bis zur Sicherheitskontrolle am Eingang zurückzulegen. Eine einzige Person schaute dort in Taschen und kleine Rucksäcke – das Mitbringen von grossen Rucksäcken ist schon seit einer ganzen Weile nicht mehr erlaubt. Ich war wenige Minuten vor Messebeginn endlich in der Kathedrale und fand einen Stehplatz weit vom Altar entfernt, aber mit guter Sicht darauf. 

Die Messe wurde heute von einem Chor junger Frauen mit tollen Stimmen begleitet und war dadurch besonders ansprechend. Der Botafumeiro verströmte einen angenehmen, harzigen Geruch. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich Schwenken des Weihrauchgefässes ein weiteres Mal erleben durfte. 

Nach der Messe war ich unheimlich hungrig; mein Frühstück war schon viele Stunden her. Ich habe mich dann spontan entschlossen, in einem der Fischrestaurants in der Altstadt Santiagos mein heutiges Pilgermenu zu essen. 

Meine Restaurantwahl erwies sich als goldrichtig: Auf einem guten Platz an einem kleinen Tisch bekam ich eine gut gewürzte Meeresfrüchte-Suppe, dann eine sehr grosszügige Portion Kabeljau mit Gemüse und gekochten Kartoffeln, und zum Nachtisch ein ebenfalls sehr grosszügiges Stück galicischer Käsetorte. Wow – das war lecker! Wie werde ich diese Pilgermenus in Basel vermissen! 

Nach einem Spaziergang durch die Altstadt habe ich in einer der vielen Cafe-Bars einen Kaffee getrunken. Ausgerechnet dort treffe ich meinen geheimnisvollen peruanischen Pilgerbruder (siehe meinen gestrigen Blog-Text) mit einer holländische Pilgerschwester, mit der ich auch schon gesprochen habe. Zufall, oder was? Freude des Wiedersehens und Abschiedstrauer – wie soll man das nur aushalten? 

Den Rest des Tages habe ich mich in die Stille meines Klosterzimmerchens zurückgezogen, Emails geschrieben, mein Tagebuch aktualisiert, ein T-Shirt für die Heimreise gewaschen und das erforderliche Online-Check-In für den Rückflug gemacht.