Von Miraz zum Kloster Sobrado dos Monxes
Wetter: Bis Mittag dichter Nebel, nachmittags Sonnenschein und sehr warm
Heute habe ich zum ersten Mal, seit ich auf dem Küstenweg unterwegs bin, verschlafen :-). Die gestrige, lange Tagesetappe, das viele Essen und der Wein am Abend haben mir einen tiefen Schlaf geschenkt. Als ich aufwachte – es war noch stockdunkel – waren meine Pilgerbrüder und -schwestern gerade im Begriff, die Herberge zu verlassen. Allerdings hatten sie das versprochene Frühstück nicht bekommen; in der Café-Bar brannte noch kein Licht. Das war an, nachdem ich mein Zeug zusammengepackt hatte, und so habe ich erst einmal mit grosser Freude gefrühstückt. Es gab eigentlich auch keinen Grund für Stress: Mein Etappenziel war das Kloster Sobrado dos Monxes. Für Pilger gibt es dort 120 Betten und so viele sind zurzeit ganz sicher nicht unterwegs.
Den Vormittag bin ich wie gestern durch dicken Nebel gestapft. Pünktlich zur Mittagszeit schien wieder die Sonne und es wurde schnell sehr warm.
Die Versorgung mit Essen und Trinken war heute eher schwierig; der Jakobsweg führte nur ein paar Mal durch kleine Orte, die nur aus wenigen Häusern bestanden. Am Kloster angekommen, habe ich deshalb erst einmal einen grossen, gemischten Salat gegessen.
Vor dem Kloster habe ich auch meine Pilgerbrüder und -schwestern aus der letzten Herberge wiedergetroffen. Die Armen hatten den ganzen Tag ohne eine Mahlzeit verbracht.
Ein netter Mönch hat uns dann alle zusammen in ein düsteres Klosterzimmer einquartiert. Duschen gibt es hier; meine mit viel heissem Wasser habe ich sehr genossen. Nur das Wäschewaschen ist heute ausgefallen; es gibt im Kloster keine Möglichkeit, Wäsche aufzuhängen und zu trocknen.
Um 19 Uhr waren die Pilgergäste eingeladen, an einer knapp einstündigen ‚Andacht‘ der Mönche teilzunehmen [mir fehlen leider die Worte für das, was diese ‚Andacht‘ wirklich war. Klar ist, es war keine Messe. Gelesen habe ich etwas von ‚Vesper‘, aber damit kenne ich mich leider nicht aus].
In einem Kirchenraum inmitten des Klosters [nicht in der Hauptkirche] bildeten neun Mönche zusammen mit einem Bild von Jesus am Kreuz und einem Bild von Maria mit dem Jesuskind einen Kreis. Die Mönche sehr unterschiedlichen Alters, die hier nach den Regeln des Zisterzienserordens leben, haben gesungen und in einem Sprechsingsang gebetet und Texte gelesen/rezitiert. Es gab Vorsinger mit wunderbaren Stimmen und Mitsinger; dito Vorsprecher und Mitsprecher.
Ich habe sprachlich nichts verstanden, aber das Singen sehr genossen. Friede herrschte und eine grosse Intensität, die mich noch lange im Zustand grosser Ergriffenheit hielt. Wie mag das Leben dieser Mönche wohl aussehen? Was bedeutet ihnen solche ‚Andachten‘. Was bedeutet das für den Rest der Welt? Habe ich einem historischen Relikt zugehört oder wird es solche Mönche in 50 Jahren wirklich noch geben?

PS. Vom Kloster sind es noch etwa 60 km bis Santiago de Compostela. Kaum zu glauben, oder?