02. Oktober 2018 – Tag 34

Von Arzúa nach Lavacolla 

Wetter: Sonne von morgens bis abends; gelegentlich war es sehr windig 

Gefrühstückt habe ich in einer Café-Bar, in der ich – wohl eher zufällig – der einzige Pilger unter Einheimischen war. Aber schon beim Start meiner ersten Etappe auf dem Camino Francés traf mich der Schlag: So viele Menschen hatte ich Anfang Oktober hier nicht erwartet. Vor mir und hinter mir konnte ich immer jeweils 20-25 Pilger sehen. Wenn ich anhielt, zogen Heerscharen von Pilgern jeden Alters an mir vorbei, ohne Unterbruch. Ich konnte es gar nicht fassen! 

Gefreut habe ich mich über zwei Begegnungen mit Pilgerbrüdern und -schwestern, mit denen ich mich auf dem Küstenweg angefreundet hatte. Eine Holländerin hatte mich im Strom der Pilger entdeckt, die an ihrem Tisch vor einer Café-Bar vorbeizogen. Sie rannte hinter mir her und lud mich zu einem Kaffee ein. Sie und ihre Klicke waren auch völlig überwältigt von dem Pilgerstrom auf dem Camino Francés. Die Holländerinnen und ich hatten uns irgendwo unterwegs aus den Augen verloren und sprachen nun eine Weile über unsere Erlebnisse auf dem Küstenweg. 

Die zweite Begegnung mit befreundeten Pilgerbrüdern und -schwestern hatte ich in einem kleinen Park. An einem Picknickplatz sass eine Gruppe pensionierter Franzosen/Französinnen, mit denen ich sehr interessante Gespräche geführt habe. Mit vielen freudigen Hallos haben wir uns begrüsst und uns unsere letzten Erlebnisse erzählt. 

Zu erleben, wie sich diese Menschen gefreut haben, mich zu sehen, hat mich überrascht. Die Wertschätzung, die sie mir entgegengebracht haben, ebenso. Das hat mich emotional sehr bewegt und sehr gefreut.

Im Wald bei O Pino

Nach gut 20 km bin ich an meinem eigentlichen Tagesziel – Pedrouzo – vorbeigelaufen. Ich wollte gern näher an Santiago übernachten, um morgen ohne Stress zur Pilgermesse in der Kathedrale um 12 Uhr anzukommen. Zu meiner Überraschung war ich dann plötzlich nahezu allein. Fast alle Pilger schienen der Empfehlung der Wanderführer, in Pedruzo zu übernachten, zu folgen. Das sollte mir nur recht sein! 

Ich habe dann noch den Flughafen von Santiago umrundet, und mich dabei mit einer schrulligen Psychotherapeutin aus Neuseeland unterhalten. In der Pilgerherberge von Lavacolla, die mir eine Pilgerschwester empfohlen hatte, habe ich eins der letzten Betten bekommen, leider oben in einem Doppelstockbett. Der Pilger – jünger als ich – dem das untere Bett gehörte, bot mir gleich an zu tauschen. ‚Ihm wäre es egal‘, erklärte er. Und so darf ich ich auch heute unten schlafen. DANKE! 

Zum Abendessen bin ich allein in eins der 4 Restaurants am Platz vor der Kirche gegangen. Ich glaube, ich habe intuitiv das beste ausgewählt. Ich hatte zur Vorspeise Galicische Suppe aus Kartoffeln und Kohl in einer sehr schmackhaften Brühe. Als Hauptspeise hatte ich eine dünn panierte und gebratene Seezunge mit Salzkartoffeln in zerlassener Butter. Der Fisch war gross und sehr lecker, und genau auf den Punkt gegart. Dazu Weisswein (eine ganze Flasche hätte ich trinken können) und kaltes Wasser. Zum Nachtisch hatte ich ein Stück Kuchen (Tarte Santiago, die mich an Rüblitorte erinnerte). 

Ich hatte einen Einzeltisch an einem guten Platz im Restaurant und habe das ‚ganz in Ruhe allein essen‘ sehr genossen. Was für ein tolles Geschenk! [Und das war mein heutiges Pilgermenu für 10 Euro! Unfassbar!] 

Heute habe ich übrigens noch ein anderes Geschenk bekommen, über das ich mich SEHR gefreut habe. Ich habe hier im Nordwesten von Spanien eine Gartenblume entdeckt, die mir ausgesprochen gut gefällt. Sie blüht jetzt wie Herbstzeitlose, hat zurzeit nur Blüten und keine Blätter. Die Blüten sind viel grösser als die unser Krokus-Verwandten. Ich war schon in einer Gärtnerei hier und habe erfolglos danach gefragt. Dort habe ich aber den spanischen Namen der Pflanze erfahren und dass sie über Zwiebeln vermehrt wird. Ich könnte ja irgendwo welche ausgraben, meinte die Verkäuferin. Nun ja, aber graben in anderer Leute Gärten? Heute auf einer Waldlichtung habe ich einen Flecken gefunden mit den Blüten dieser Pflanze. Mit der Hand konnte ich im weichen Boden zwei Zwiebeln ausbuddeln. Wow, was für ein tolles Geschenk! Wow, was für ein toller Tag!